Montag, 16. September 2013

HALB ALP - HALB ANGST 7

Windstille ist erst Windstille, wenn man sie nicht mehr hört, muss ich erfahren, als ich hinausgehe, um eine einsame Seilwinde auf dem Feld zu interviewen. Das Ohr weiss wenig über Stille, der seichte Luftzug hämmert erbarmungslos ins Mikrofon, egal aus welcher Richtung ich meine Befragung starte. Nichts will gelingen. Es beginnt zu regnen. Ein paar gut ausgerüstete Wanderer stehen am Anfang eines goldenen Pfads, sie fragen sich, ob das nun die Initiative zur gerechteren Verteilung des Reichtums ist und stützen sich schon mal auf ihre Raichle Stöcke ab. Das Vergnügen, dass sie sich für heute vorgenommen haben, lastet schwer auf ihnen. Sie blicken hoch und sehen eine viel versprechende Linie, eine Art englischer Wolkenumriss ist vom Himmel gefallen, es ist immer etwas Gutes an der Gräue, sie blicken in die Zeit, die vor ihnen liegt und ziehen sich gegenseitig an dicken Drahtseilen in den Nebel hinein, dieser Ausflug wird sich lohnen, ob er will oder nicht. Mit der Nasenspitze krieche ich bis ganz vor an die Steilwand und schaue, die Innereien pulsieren erfreut. Eine Gondel voller kreischender Kinder schwebt ins Tal, eine leere Gondel kreuzt sie auf halbem Weg, es funktioniere ja wohl nur so, sagt der Operateur unter seinen Augenbrauen hervor, what goes up, must come down, das sei ja nicht seine persönliche Weisheit, eher Physik, das könne man ja wohl ohne Bedenken entgegennehmen. Es weht Misstrauen am Fahnenmasten, die Hornusser halten es gegen Mitternacht nicht mehr aus, dieses Plastikkunstplagiat, und hissen einen Jassteppich, wenigstens etwas Strammes, wenn auch nicht die absolute Befriedigung des Nationalstolzes, what goes up, must stay there, Prosit! Es gäbe schon schauderhafte Stagnationen, meint der Operateur noch beiläufig, letzte Woche zum Beispiel seien fünfhundert in China produzierte Kühe mit zusammengewachsenen Hinterbeinen beim Alpabzug in der Steilwand stecken geblieben, kein Vor oder Zurück sei mehr möglich gewesen, das sei dann wirklich verhockt. Und wenn’s dann drauf ankäme, wollen die Hersteller nichts mehr damit zu tun haben, da wäre man halt dann schon besser bedient gewesen mit dem heimischen Modell. Patriotisch sei das nicht, eher praxisorientiert. Praktisch niemand trifft den Ton, wenn’s zum Chor kommt, man tut es trotzdem. 

Sarah Elan Müller

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